Viel zu Schaf

von

Susann

Das Leben hier ist anders und mit nichts zu vergleichen was ich bisher erlebt habe. Ich lebe gern in dem Moment. Ohne große Pläne. Einfach machen. Ja gut, ich gebe zu, ein bisschen Planung gibt auch mir eine gewisse Struktur. Bis jetzt. Hier wird wirklich der Moment gelebt und ich weiß nicht was in den nächsten Stunden oder gar Minuten passiert. Das liegt zum einen an meinen noch spärlichen sprachlichen Fähigkeiten, zum anderen aber auch an der Spontaneität der Menschen hier.

Jeden Tag passiert etwas und dann wird eben gehandelt. “Das ist Andalusien” bekomme ich, zusammen mit einem Achselzucken, immer als Antwort auf mein fragendes Gesicht.

Und so hat der eigentliche Hirte, der die Schafe der Familie jeden Tag hütet, einfach mal gesagt, dass er nicht mehr will und zwar genau ab jetzt. Also gehe ich mit Antonio einen Tag Schafe hüten. Ich erinnere mich noch an mein stressiges Leben in dem die Arbeit viel von meiner Zeit und meinen Nerven in Anspruch genommen hat. “Einfach mal Schafe hüten” war damals ein geflügelter Ausdruck und jetzt laufe ich wirklich durch die Bergwelt zusammen mit über 200 Schafen und drei Hunden. Die Sonne scheint mir auf den Kopf, es ist unglaublich warm und meine Wasserreserven sind beschränkt. Aber im Grunde geht man ganz langsam spazieren, bergauf und bergab, mit dem Klang der Schafsglocken im Ohr, während vor mir die Weite der Sierra Nevada liegt. Was für eine Ruhe und Friedlichkeit in dieser, doch eigentlich so schnellen Welt.

Die Schafe sollen mich die nächsten Wochen begleiten. Sie werden auf die Transhumanz vorbereitet. Das heißt, die Schafe werden hoch auf die Berge getrieben. Hier ist es im Sommer kühler und es gibt viel Grün zum Fressen. 

Die Schafe werden geimpft und gebrandet. Jedes Schaf bekommt das Logo der Familie auf den Hintern gesetzt. Was aussieht wie ein Brandeisen, dient heutzutage als Stempel, der in heiße Farbe getaucht wird um ihn anschließend auf den Hintern des Schafes zu drücken. Das Tier merkt davon nichts, hat aber auch keine Lust darauf. Es sind drei Männer und ich von Nöten um diese Prozedur durchzuführen. Einer fängt das Schaf und hält es fest, einer stempelt, einer impft mittels einer großen Spritze und ich lasse jedes einzelne Tier dann in den Stall. Das klingt leichter als es ist, denn Schafe sind stark und können sich gut wehren.

Als nächstes bekommen mehrere Schafe unterschiedlich große Glocken umgehängt. Die Glocken mit ihrem ledernen Halsband fertigt ein Bruder von Antonio per Hand an. Auch darauf haben die Schafe keine Lust und man versteht sein eigenes Wort nicht mehr vor lauter Glocken und dem ständigen “Määäääääh” der Schafe.

Und da sich hier jeder gegenseitig hilft, führen wir diese Prozedur nicht nur bei einer Herde durch sondern bei dreien. Antonios Bruder Juan und Freund Fernando haben auch jeweils gut 200 Schafe.

Die Zeit vergeht und die Transhumanz steht bevor. Wie war das mit der Planung? Hier nicht möglich. Ein Teil der Schafe soll verkauft werden und bisher wurde sich Antonio mit keinem einig, bis zum Tag vor der Transhumanz. Um 22 Uhr kam der Käufer aus Cordoba und sie wurden sich tatsächlich einig. Die Herde wird gut um die Hälfte minimiert. Und diese Hälfte muss beim Veterinär registriert sein. Also listen wir an einem Abend all diese Schafe einzeln auf. Jedes Schaf hat einen Chip am Ohr mit einer Nummer. Jede Nummer wird erfasst und aufgelistet. Das heißt jedes Schaf einzeln festhalten, Nummer notieren, Schaf markieren und wieder zu den anderen Schafen freigeben.

Wann die Transhumanz jetzt stattfindet? Ich habe keine Ahnung. In irgendeinem Moment.

Bis dahin geht das Leben hier “auf dem Land” weiter. Alle zwei Tage schleppe ich gut 4 Strohballen in den Stall der Schafe. Hier verteile ich das Stroh, damit sie es warm und gemütlich haben. Jedes Mal umringen mich die Lämmer. Sie sind neugierig und knabbern gern am Stroh. Dieser kleine Lämmerkindergarten ist wirklich sehr lustig und total niedlich.

Gut alle zehn Tage müssen die Maultiere umgesiedelt werden. Die Familie besitzt fünf der sanften, gutmütigen Tiere. Sie leben auf einer Olivenplantage eines Freundes, fressen aber wie Scheunendrescher und deswegen müssen wir sie immer mal wieder zusammen mit dem Stromzaun umsiedeln damit sie genügend zu fressen haben. Gleichzeitig düngen sie den Olivenhain.

Jeden Morgen und jeden Abend versorge ich die anderen Tiere der Familie. Das sind vier Pferde, zwei weitere kleine Maultiere, Hühner und viele große und kleine Hunde. Es gibt ständig neuen Nachwuchs. Ob Hund, Katze oder Schaf. Nach Möglichkeit sind die Tiere am Tag frei allerdings wird auch mal ein Lamm geschlachtet. Meist wenn es eh gehandicapt ist. Das Fleisch bekommt ein Freund oder die Familie selber verwertet es.

Die Geschichte mit den Schafen ist noch nicht zuende. Ein großer LKW quält sich über die kleine Straße zum Stall. Jetzt sollen die Schafe in den LKW getrieben werden, der sie dann nach Cordoba fährt und dort ausliefert. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Schafe finden den LKW nicht so ansprechend und hauen immer wieder ab, zurück in den Stall. Es dauert gut drei Stunden, viele Ideen wie man eine Gasse in den LKW zu bildet und noch mehr Blessuren am Körper. Wie schon erwähnt, Schafe sind sehr kräftig und wenn sie nicht wollen, dann wollen sie nicht. Am Ende hat aber der Mensch die Oberhand.

Antonio und ich wollten eigentlich auch nach Cordoba fahren um die Schafe seinem neuen Besitzer zu übergeben und vielleicht auch um zu sehen wie sie dort leben denn Antonio hängt sehr an seinen Tieren.

Leider macht uns Covid einen Strich durch die Rechnung. Jeder kennt irgendjemanden der Covid im Familien- oder Freundeskreis hat. Bei uns hat es fast die ganze Familie erwischt. Bis auf Antonio, seinen Sohn und mich sind alle positiv getestet. Covid ist also bei uns eingezogen. Natürlich ist Quarantäne angesagt. Die Schafe haben die Fahrt gut überstanden und sind bei ihrem neuen Besitzer in Cordoba angekommen.

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