In den Bergen

von

Susann

„Morgen fahren wir in die Berge“, „Nächste Woche gehts in die Berge“. Mañana, mañana. Das höre ich seit Wochen und inzwischen kommt darauf immer nur eine Antwort von mir: „Veremos“ – „Wir werden sehen“.

Wie schon so oft berichtet, habe ich es bei Antonio mit einem Menschen zu tun, der spontaner nicht sein kann.

Wir waren gerade mit dem Auto in der Sierra unterwegs um zu sehen wo sich die Kühe rumtreiben. Es war ca. 20 Uhr, da sagt Antonio: „Wir fahren nach Jaén zu meinem Freund. Brauchst du noch etwas?“ Ich hatte mein Handy bei mir und das was ich am Körper trug. „Nein“ war meine Antwort und dann machten wir uns auf den Weg. Das Örtchen Bélmez de la Moraleja, ist 120 Km entfernt. Wir werden dort übernachten.

Um 21:30 waren wir da. Antonios Freund Juan war gerade dabei mit einigen Kollegen seine Schafe zu scheren. Ein Knochenjob. Ich habe es später selbst ausprobiert. Die Wiedersehensfreude war groß und der Abend wurde lang.

Am nächsten Tag will uns Juan seine Kühe zeigen. Genau wie die Kühe von Antonio, sind sie in den Bergen frei. Und genau dahin machten wir uns auf den Weg, in die Sierra Mágina. Eine wunderschöne Berglandschaft, geprägt von weißen Kalksteinfelsen und Olivenhainen.

Wir fuhren zum höchsten Berg der Gegend. Hier grasen die Kühe. Juan hatte Salz mitgebracht und rief jetzt seine Tiere herbei. Gierig schleckten sie das Salz von den Felsen und Juan zeigte uns stolz seine Lieblinge und ihren Lebensraum. Da saßen wir nun. Auf einem der höchsten Berge der Sierra Mágina mit einem atemberaubenden Blick über die Ebene. Über uns zieht ein Adler seine Kreise. Ein stolzes Tier mit einer riesigen Flügelspannweite.

Nach einem Moment des Innehaltens, machten wir uns auf den Rückweg. Bevor wir wieder ganz ins Dorf zurück fuhren, hielt Juan bei einer kleinen Hütten unterhalb des Berges an. Hier wohnen zur Zeit Freunde von ihm, die ihre Schafe hüten. Wie es in Andalusien so üblich ist, werden wir auch direkt zum Essen eingeladen. Der Eintopf wurde auf den Tisch gestellt, jeder bekam einen Löffel in die Hand und das Bier wurde rumgereicht. Ich, als einzige Frau, bekam einen Becher mit Bier.

Am Abend machten wir uns wieder auf den Weg in „unsere“ Sierra Nevada. Es war eine schöne Zeit in der Sierra Mágina und wir waren nicht das letzte Mal dort. Antonio hat kurzerhand ein paar Kühe von seinem Freund gekauft.

Und dann hieß es wieder „Bald fahren wir in die Berge“. Und es sollte schneller passieren als gedacht. Eines Nachts bekam Antonio einen Anruf von seinem Bruder, der in den Bergen die Schafe der Familie hütet. Er habe schreckliche Schmerzen und Antonio musste ihn abholen. Der Bruder kam ins Krankenhaus und fiel jetzt also für einige Tage aus. Direkt am nächsten Morgen bekam ich nur eine SMS, dass ich meine Sachen packen soll, wir fahren für einige Tage in die Berge. Aus den einigen Tagen wurden neun Tage und es war einfach nur schön. Wir haben einen Tag später die Pferde geholt um in den Bergen besser unterwegs sein zu können. Und dann sind wir jeden Tag zu Pferd auf die Gipfel der Sierra Nevada geritten. Immer die Schafe im Blick. Sie leben hier frei und kommen nur nachts in den Stall. Außerdem sollten die Kühe weiter in die Berge getrieben werden, damit sie nicht so oft auf der Straße sind. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl auf dem Rücken eines Pferdes über die Ebene zu blicken und später die Kühe im Galopp durch die Wälder zu treiben um sie dann gemütlich im Schritttempo tiefer in die Berge zu begleiten.

Wir wohnen in einem Aprisco. Eine kleine Hütte mit angrenzendem Stall. Hier haben früher die Hirten Zuflucht bei schlechtem Wetter gesucht. Heute hat die Familie dieses kleine Paradies vom Parque Natural Sierra Nevada gemietet. Abends gab es mal Pasta, mal Fleisch über dem Feuer gebraten. Und ansonsten ist dort oben einfach nur Stille und eine unendliche Friedlichkeit.

Die Tage zogen dahin und zwischendurch waren die Kinder mit Antonio in den Bergen und ich mit Clara bei Freunden in der buddhistischen Finca und habe auch noch eine andere Reittechnik gelernt. Bei Tee, Vino und guten Gesprächen gehen auch hier die Tage in sanfter Ruhe schlafen.

Das Leben in den Bergen ist sehr bedacht und nimmt sich seine Zeit. Wann und wo ist es am besten mit dem Pferd unterwegs zu sein? Wo sind die Schafe und wie wandern die Kühe? Oder einfach nur der Sonne zuschauen, wie sie abends hinter den Bergen verschwindet und der Mond aufgeht. Dann wird es richtig kalt. Die Berge haben mir eine kleine Erinnerung mitgegeben. Ich habe mir eine dicke Erkältung eingefangen. Doch das war jeder Tag wert. Und noch heute stehen die beiden Pferde oben bei der Hütte in den Bergen und ab und zu fahren wir hoch und reiten aus.






















































4 Gedanken zu „In den Bergen“

  1. Diese tollen Erfahrungen und Bilder wirst du dein ganzes Leben nicht vergessen.
    Noch viele weitere wundervolle Begebenheiten und Begegnungen auf deiner weiteren Reise.

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  2. Wenn der Morgen kommt
    Und die letzten Schatten vergeh’n,
    Schau’n die Menschen der Sierra hinauf
    Zu den sonnigen Höh’n.
    Schau’n hinauf,
    Wo der weiße Kondor so einsam zieht,
    Wie ein Gruß an die Sonne
    Erklingt ihr altes Lied.
    Sierra, Sierra Madre del Sur,
    Sierra, Sierra Madre, oh, oh,
    Sierra, Sierra Madre del Sur,
    Sierra, Sierra Madre.

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