Was willst du?

von

Susann

Das Leben schreibt Geschichten die nicht langweilig werden. Geschichten erfüllt mit Spannung, Drama und Gefühlen. Wann die Geschichte endet und ob es ein Happy End ist, dass erfährt man meist erst viel später.

Ich bin zurückgekehrt. Eigentlich mit der Vorstellung, dass mich beide empfangen und wir gemeinsam sprechen. Aber es ist schon fast Tradition, dass es an diesem Ort anders kommt.

Es gab einen Notfall in der Familie und SIE musste nach Granada fahren. ER musste sich um die Kinder kümmern. Als ich ankam war keiner da. Ich solle doch schonmal Essen für die Kinder kochen wenn ich es möchte war seine Bitte auf meine Frage wo er denn wäre. Kurz darauf kamen auch noch Freunde zu Besuch und ich habe alle erstmal bespaßt. Etwas später kamen die Kinder und das Cortijo war voll. Und dann stand er da im Raum. Wir standen uns beide, mitten in diesem Trubel, gegenüber und sahen uns an. “Hallo Susann, alles gut?” war seine erste Frage. 

Nach dem Essen verabschiedeten sich die Freunde und nahmen die Kinder gleich mit. Sie sollten bei unserem 3er-Gespräch nicht dabei sein.

Nachdem alle weg waren kam er ins Haus, direkt auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. Er entschuldigte sich für diese Begrüßung und ließ mich nicht mehr los. Er wiederholte immer wieder wie sehr er mich vermisst hat. Wie schlimm es war als er sah, dass der Bus nicht mehr vor der Tür stand. Und das es ihm so unendlich leid tut, dass ich so gelitten habe wofür er verantwortlich ist.

SIE hatte mich vorher gebeten nicht mit ihm zu reden. Wie soll das bitte gehen? Natürlich haben wir geredet und natürlich haben wir es genossen, dass wir uns wieder haben.

Am nächsten Tag stand nun das große Gespräch zu dritt an. SIE war total aufgeregt. ER und ich entspannt. Ich war mit ihm klar und wir haben auch besprochen, dass ich bleibe.

Jeder von uns hat seinen Standpunkt erklärt. SIE hat sich sehr gut vorbereitet, wurde aber von ihren Emotionen immer wieder übermannt. Sie bedankte sich nochmal bei mir. Dank mir ist so viel ausgesprochen worden was über acht Jahre nur in den Köpfen der beiden passiert sei. Sie fühle sich befreit, ist sich aber bewusst, dass auch sie die Verantwortung dafür übernimmt was in der Ehe und was auch mit mir passiert ist. Ich habe tiefsten Respekt für sie empfunden. Es muss unfassbar schwer sein in dieser Situation der Frau gegenüber zu sitzen und ihr Dankbarkeit und Anerkennung auszusprechen, die ihren Mann liebt und von dem sie auch geliebt wird. Am Ende war klar. Sie will ihn, er will mich und seine Familie und ich will ihn. Die Idee: Wir probieren es zu dritt und ich bin jetzt ein Teil der Familie. Kein Geheimnis, keine Volontärin. 

Nach dem Gespräch wurde ihr bewusst, dass sie zu den Kindern muss und ich mit ihm allein sein werde. Es fiel ihr sichtlich schwer. 

Wir genossen unser Wiedersehen und es war als ob ich in ein Zuhause zurückgekehrt bin. Wir fuhren in die Berge, fütterten die Tiere und ich habe einfach alles aufgesogen als ob es meine Luft zum Atmen wäre. Ich war wieder hier.

Tags darauf fuhren wir zu Freunden in die Berge. Es musste ein Zaun für die Maultiere aufgestellt werden und da sollten alle mit anpacken.

Als wir beide aus dem Auto stiegen und SIE uns sah, brach sie in Tränen aus und lief ins Haus. Wenig später suchte sie das Gespräch mit mir. Es sei sehr schwer und sie möchte sich nicht ausgeschlossen fühlen. Deswegen möchte sie jetzt mehr mit uns machen. Zusammen arbeiten, zusammen im Cortijo sein. Sie wolle uns nicht kontrollieren aber sie möchte verstehen.

Ab dem Zeitpunkt hatte ich mit ihm fast keine gemeinsame Minute mehr. Sie suchte ständig seine Nähe und wenn es auch nur im Ansatz so aussah als ob ich mit ihm allein sein könnte, war sie schon zur Stelle. 

Ich arbeite mit ihm jeden Tag, seit drei Monaten zusammen. Wenn wir arbeiten, dann nehmen wir das was wir tun ernst und denken nicht daran übereinander herzufallen.

Ich schaute mir dieses Theater zwei Tage an. In einer zufälligen gemeinsamen Minute ohne sie fragte ich ihn was hier gerade passiert? Er sagte “Vertrau mir!” Also gut. Das tue ich und genoss die Zeit in den Bergen mit den Tieren und auch seinen Kindern. Mit ihnen hatte ich viel Spaß und ich konnte ungezwungen mit ihnen rumalbern.

Doch die angespannte Atmosphäre nahm mir viel Kraft. Ich spürte das funktioniert hier nicht.

Am ersten Abend als SIE mit den Kindern im Cortijo schlafen wollte, entdeckte sie meine Sachen in seinem Schlafzimmer. Sie ist sofort in Tränen ausgebrochen und kriegte sich nicht mehr ein. Die beiden hatten einen riesen Streit bis er sie allein ließ und ins Bett ging. Ich habe mich in den Bus verzogen und auf einmal stand SIE vor mir. 

Sie wiederholte, dass es alles so wahnsinnig schwer ist. Sie akzeptiere die Situation aber es ist so schwer. Ich fragte sie was sie denn wolle? “Ich liebe ihn. Ich kämpfe um die Zeit die wir hatten. Ich will aber auch mehr vom Leben…” Ich sagte ihr, dass sie mit ihm nicht woanders hingehen kann. Er hat sein Leben hier und das wird sich auch nicht ändern. Sie kann ihn nicht ändern. Sie fragte mich was ich will. Ich sagte ihr ganz offen, ehrlich und direkt, dass ich ihn will und zwar für mich.

Nach zwei Tagen voller Tränen, Eifersucht, Emotionen und Theater war klar, es funktioniert nicht. ER muss für sich wissen was er will. Er muss sich entscheiden. 

Er wolle ja nur, dass alle glücklich sind. Das keiner verletzt wird. Dass sich niemand schlecht fühlt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Und er suche immer wieder nach einer Lösung für alle. Er sah furchtbar aus. Schaute nur noch auf den Boden, schüttelte immer wieder den Kopf und ich merkte, dass er gedanklich schon gar nicht mehr anwesend war wenn sie redete.

Und dann guckten mich beide an und fragte was ich denn dazu sage.

Meine Antwort an ihn:

“Du willt das alle glücklich sind? Das funktioniert nicht. Wenn du dich entscheidest wird eine verletzt aber das Leben geht dann auch weiter und dann kommen auch die Lösungen. Wenn du aus tiefstem Herzen weißt was du willst, dann wird es auch Lösungen geben. Also frag dich was DU willst. Was ist deine Wahrheit? Und wenn du sie für dich gefunden hast, wenn du weißt was du willst, dann wird es auch weitergehen und es werden Lösungen gefunden.”

Und zu den beiden sagte ich nur:

“Was habt ihr? Ihr sagt acht Jahre voller Lügen. Woran hängt ihr noch?”

Mehr gebot es mir nicht zu sagen. Das ist nicht meine Ehe und ich bin nicht der Paartherapeut. Ich habe schon genug ins Rollen gebracht. Auf meine Fragen fanden sie keine Antworten.

Wir verbrachten die Nacht wieder getrennt und am morgen kam er zu mir in den Bus und erklärte, dass er jetzt für ein paar Tage in die Berge geht um nachzudenken. Um sich zu entscheiden was er will. Ich bestätigte ihm wie gut diese Entscheidung ist. In den Bergen ist er ganz bei sich.

Sie ist zu Freunden gefahren und ich solle auch zu Freunden fahren und hier nicht allein sein. Nach ein bisschen telefonieren war klar, dass ich wieder zu der Finca fahre, auf der Claudia und ich zwei Monate gearbeitet haben. Zuvor verbringe ich aber noch eine Nacht in den Bergen. Es gibt einen schönen Platz an dem ich mit Busser stehen kann um die Ruhe nochmal zu genießen.

Ihm gefiel das und sagte gleich er kommt abends vorbei. Etwas überrascht sagte ich zu.

Gegen 23 Uhr parkte er sein Auto neben Busser und trat ein. Wir tranken ein Bierchen und redeten über den Tag. Und dann fragte ich ihn warum er hier sei. “Weil ich es will.” war seine Antwort. Dann fragte ich ihn ob ich mit ihm als eine gute Freundin sprechen kann. Er begrüßte es denn solche Art von Unterhaltungen haben wir oft geführt.

Ich sagte ihm, dass der Kopf die Fragen stellt und das Herz antwortet. Deine Gefühle sind die Wahrheit. Was du im Herzen fühlst ist die Wahrheit. Er stimmte mir zu und gestand mir dann auch was ich schon lange wusste. Er hat wahnsinnige Angst seine Kinder zu verlieren. 

Er blieb die Nacht und wir erinnerten uns an die gemeinsamen Erlebnisse. Er sagte mir viele schöne Dinge bis ich dann fragte ob das hier ein Abschied ist? Und dann passierte etwas was ich bei ihm noch nie erlebt habe. Er brach in Tränen aus, hielt mich so fest, dass ich mir fast die Luft wegblieb und wiederholte immer wieder wie sehr er mich liebe. Er wolle mich nicht verlieren und es sei niemals ein Abschied. Seine Gefühle sind so unglaublich stark. Das habe er noch nie, niemals gehabt.

Ich hielt ihn fest bis er sich beruhigt hatte. Wir redeten darüber, was das ist was wir haben. Wir denken oft das gleiche. Kaum hat der eine etwas gedacht, spricht der andere es aus. Die Gefühle die wir füreinander haben sind unfassbar stark. Wie kann sowas sein? Wir kennen sowas beide nicht. Und dann sagte er nur zu mir: “Ich glaube das ist Liebe. Das muss die Liebe sein.” Und ich antwortete nur: “Ja, ich glaube das ist Liebe.”

Er schlief das erste Mal seit Tagen fast durch und nach dem Morgenkaffee verabschiedete er sich. Ich sagte nur: “Wenn du willst, dass ich wiederkomme, dann ruf mich an. Wenn du willst, dass ich gehen soll, dann ruf mich an. Aber ich warte.”

Er verstand und fuhr davon.

Jetzt erhole ich mich ein bisschen auf der Finca. Es ist unglaublich heiß und wir hängen den ganzen Tag nur herum. Es tut gut mal wieder andere Gespräche zu führen und dann auch mal wieder auf Deutsch.

Er meldet sich regelmäßig aber bis jetzt hat er sich noch nicht entschieden. Ich fühle mich als hänge ich in der Luft. Ich weiß nicht was passiert und ich weiß nicht was ich machen soll außer warten. Nur wie lange? 

Ich vertraue ihm auch weiterhin und ich vertraue auf das Leben. Es schreibt seine eigenen Geschichten. Geschichten erfüllt mit Spannung, Drama und Gefühlen. Wie diese Geschichte endet? Ich weiß es nicht. Ich glaube daran, dass alles seinen Sinn hat und es entstehen auch schon wieder neue Geschichten. Die Frage ist dabei immer: Was willst du?

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