Zwischendurch zieht es uns doch immer wieder ans Meer und die Steilküsten von Portugal sind auch wirklich sehenswert. Einzig das Katz-und-Maus-Spiel mit der GNR könnte eine kleine Herausforderung werden. Aber das soll uns nicht aufhalten.
Der Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina erstreckt sich mit über 80 km Länge entlang der Atlantikküste. Wir starten auf der Höhe von Aljezur. Einem kleinen aber feinen Ferienort. Schon bei der Ankunft direkt an der Küste werden wir überwältigt von dem Anblick auf den Strand. Entlang einer der felsigen Klippen führt eine Treppe runter zum Wasser, die zu einem schönen Spaziergang einläd. Hier bist du allein mit der Sonne und dem unendlichen Meeresrauschen. Die Luft ist erfüllt vom Salzwasser und der Blick schweift in die Ferne.
Der Parkplatz befindet sich direkt am Strand. Obwohl alles vor der GNR im Nationalpark warnt, werden wir es trotzdem riskieren und versuchen hier zu übernachten. Es ist der Tag vor Heilig Abend. Wer sollte da zu diesem abgelegenen Parkplatz kommen wollen…? Bis ca. 19:30 Uhr war alles gut. Wir genossen einen Sundowner am Strand und machten es uns im Bus gemütlich. Da klopfte es an der Tür. Ich öffnete und vor mir standen drei Männer um ihr Auto herum, auf dem in großen Buchstaben “GNR” stand und leuchteten den Bus an. Nachdem klar war, dass ich kein Portugiesisch sprach, erklärte mir einer der Herren von der GNR im genuscheltem Englisch, dass wir doch bitte den Parkplatz verlassen sollen. Mir war bekannt, dass man bis 22 Uhr im Nationalpark sein darf. Der Herr verneinte dieses. Es kostet 120 EUR Strafe. Wenn uns die Nationalpark-Guards erwischen, dann kostet es viel mehr und ich bin meinen Führerschein los, erklärte mir der Herr geduldig. “Also müssen wir jetzt zahlen und wegfahren?”, fragte ich weiterhin freundlich. “Bitte fahren Sie jetzt aber weil ich so freundlich bin, müssen Sie nicht bezahlen” antwortete der Herr und lächelte leicht. Gesagt, getan. Abflug und zwar sofort. Ich bedankte mich ganz herzlich und die GNR verschwand.
Wir hatten sowieso für so einen Fall einen Plan B in der Tasche. Im nächstgelegenen Ort hatten wir vorher schon einen Parkplatz ausgemacht. Für alle Fälle, also für jetzt. So verbrachten wir die Nacht nicht am Strand sondern auf einem schmucklosen Parkplatz. Dafür behielten wir aber unser Geld und unseren Führerschein.
Am nächsten Tag soll es weiter die Küste Richtung Norden gehen. Es ist der 24. Dezember. Die Sonne scheint und es herrschen recht milde Temperaturen. Auf der Höhe der Kleinstadt Odermira finden wir einen steilen, schroffen Küstenabschnitt mit herrlichem Ausblick auf das Meer. Hier wollen wir Heilig Abend verbringen.
Bei einem ausgeprägten Spaziergang bewundern wir die schon fast unwirkliche Landschaft. Teilweise sieht es hier aus wie in einer Wüste oder auch wie in Kappadokien in der Türkei. Bizarre Felsformationen in Orange und Weiß laufen zu den vom Meer ausgehöhlten Klippen aus schwarzem Schiefer. Ich bin zwar kein Geologe aber von den Azoren über Gibraltar und entlang der afrikanischen Küste verläuft die Grenze zwischen der Eurasischen Kontinentalplatte und der Afrikanischen Platte. Portugal und Spanien gehören zu den aktiveren Zonen, sprich es gibt hier mehr Erdbeben als woanders in Europa. Das erklärt wohl diese riesigen Schieferfelsen die wie Seiten eines alten Buches aus dem Meer ragen.
Die Sonne näherte sich schon dem Wasser und es wurde Zeit fürs Essen. Nach einer deutschen Tradition gibt es Kartoffelsalat mit Würstchen. Ich habe dieses Gericht Zuhause noch nie gegessen. Bei uns gab es immer Ente oder Gans oder etwas anderes Aufwendiges. Unserem Vanlife angepasst, erschien uns Kartoffelsalat mit Würstchen recht festlich und es schmeckte hervorragend. So stehe ich an diesem 24. Dezember 2020 an einer Klippe von Portugals Felsküste, mit meinem Sundowner in der Hand und verabschiede die Sonne ins Meer. Mit meinen Lieben zu Hause habe ich bereits telefoniert und durfte sogar bei der Bescherung dabei sein. Dieses Weihnachten ist anders aber nicht weniger schön. Viele Menschen gaben mir an diesem Tag das Gefühl, dass ich in Gedanken bei ihnen bin und auch ich war gedanklich heute ganz besonders bei all den lieben Menschen, die mir so nahe stehen. Das hier ist jetzt mein Leben aber sie sind meine Heimat.
Auch an diesem wunderschönen Ort durften wir natürlich nicht bleiben. Verbotsschilder zeigten es schon auf dem Weg zu diesem Platz an und nochmal wollten wir das Glück mit der GNR nicht herausfordern. Also verbrachten wir die Nacht des Heiligen Abends auf einer etwas abgelegenen Einfahrt hinter Mülltonnen versteckt, mitten in Odermira.
Der erste Weihnachtstag begrüßte uns mit der Morgensonne und wir machten einen Spaziergang durch Odemira. Ein kleines verschlafenes Dorf mit weiß getünchten Häusern. Die paar Menschen hier auf der Straße lächeln freundlich und man wünscht sich “Boas Festas”. Hier ist die Welt noch in Ordnung.