Inzwischen lebe ich seit drei Wochen auf der Novel. Mein erster Eindruck von diesem Segelschiff kann nur mit einem Wort beschrieben werden „riesig“. Wenn Segelyachten die Kleinwagen in der Segelei sind, dann ist dieses Schiff ein LKW. Und das bekam ich auch gleich zu spüren. Als ich ankam lag die Novel lag noch im Winterschlaf und jetzt war es Zeit sie wieder zum Leben zu erwecken. Das Deck schrubben hat nach dem Winter fast einen ganzen Tag gedauert. Und es wird nicht das letzte Mal sein.
Winter ist ein gutes Stichwort
In den ersten zwei Wochen hat der Winter wieder Einzug erhalten. Es regnete, stürmte und schneite. Dazu Temperaturen im einstelligen Bereich, nachts sogar Minusgrade. Für jemanden der gerade vier Monate in Mittelamerika war, ist das eine ziemliche Umstellung. Meine Laune sank ab und zu mal ziemlich in den Keller. Doch mit den ersten Sonnenstrahlen erhellte sich auch mein Gemüt wieder und das Schiff wurde mit jedem Tag mehr zu einem echten Segelschiff.
Harte Arbeit
Die Takelage (Taue, die die Segel tragen) eines Schiffes von dieser Größe zu verstehen, das bedarf etwas Zeit, zumindest für mich. Genauso die ingesamt sechs Segel nicht nur anbringen sondern auch verstehen wie man sie setzt und auch wieder herunterholt. Ohne eine Anzahl von mehreren Personen ist das gar nicht möglich. Dementsprechend anstrengend war es auch nur zu zweit dem Schiff seine Segeln wieder zu geben.
Auch die insgesamt drei Motoren brauchen ihre Pflege. Ein Ölwechsel und Filteraustausch ist bei weitem nicht alles und ich lerne hier jeden Tag etwas Neues. Ich fühle mich wie zu Zeiten meiner Ausbildung. Und das in meinem Alter…aber es ist ja auch eine Ausbildung und mit jedem Tag lernen die Novel und ich uns ein bisschen besser kennen. Skipper und Eigner Arnold gibt sich wirklich große Mühe mir zu zeigen wie alles funktioniert.
Wo genau bin ich eigentlich?
Nach der Arbeit kommt das Vergnügen und noch habe ich an den Wochenende frei. Die Zeit nutze ich um mir Kampen und die Umgebung anzusehen. Kampen ist nicht gerade ein Touristenmagnet und die Saison steht ja auch erst in den Startlöchern aber es ist eine sehenswerte Stadt und eine idyllische Landschaft, mal abgesehen von den kulinarischen Köstlichkeiten. Wenn ich nicht arbeite, esse ich.
Die Hansestadt Kampen hat rund 33.000 Einwohner und liegt an dem Fluss Ijssel. Kampen und zwei weitere Ortschaften liegen auf einer Flussinsel und sie sind nur durch Tunnel oder Brücken erreichbar. Eine der bekanntesten Brücken und gleichzeitig das Wahrzeichen der Stadt ist de Stadsbrug. Kommt man mit dem Zug und geht in Richtung Altstadt, so muss man über eben diese Brücke gehen. Rechts davon sieht man schon die Schiffe an der Ijsselkade. Hier liegt auch die Novel außerhalb der Saison.
Unser Nachbar ist der neue Turm (De Nieuwe Toren), der alle 15 Minuten zeigt was sein Glockenspiel drauf hat. Man gewöhnt sich recht schnell dran. Mal abgesehen von den vielen Kirchen erscheint Kampen für mich wie eine gewöhnliche Stadt, die ständig im Wandel ist. Wo früher noch einige Diskotheken waren, gibt es heute Parkhäuser oder Eigentumswohnungen. Aber die süßen kleinen Häuschen sind geblieben.
So nah und doch so fern
Während meines Kurzurlaubes in Deutschland bekam ich oft die Frage ob meine Reise jetzt schon zu Ende sei? Wieso? „Naja, weil es die Niederlande sind.“
Auch wenn es ein Nachbarland von Deutschland ist und der ein oder andere vielleicht nur zum Einkaufen rüberfährt, so ist es natürlich ein komplett anderes Land. Die Sprache, die Kultur, die Architektur, das Essen. Alles ist anders und ich bin unheimlich neugierig und genieße es das alles kennenzulernen. Und mit Arnold und Margreth gelingt mir das noch viel besser. Sie erzählen mir alles was sie wissen, laden mich zu typischen holländischen Gerichten ein und bringen mir die Sprache ein bisschen näher. Inzwischen habe ich sogar eine Steuernurmmer und bin jetzt irgendwie selbst eine Niederländerin auf Zeit.
Nach drei Wochen schleppen, streichen, putzen, auftakeln, ziehen und drücken, lernen und immer wieder gemeinsam lachen ist die Novel nun Klar Schiff und morgen geht es nach Enkhuizen um die ersten Gäste in Empfang zu nehmen.